Diskussionen um “Langzeitfolgen und Nebenwirkungen” drehten sich in letzter Zeit vermehrt um Biotechnologie. Dabei wäre eine ähnlich angeregte und aufgeklärte(re) Diskussion über Informationstechnologien, die unsere Gesellschaft viel stärker mitbestimmen, doch mindestens genauso angebracht. Statt Fortschritte der Alltagstechnologien einfach hinzunehmen, und dabei weder die Geschäftsmodelle der Anbieter noch die gesellschaftlichen Veränderungen zu hinterfragen, sollten wir als Individuen im Zeitalter der Digitalisierung gelegentlich den Blick über den Tellerrand heben.

Kürzlich habe ich Huxleys “Schöne neue Welt” von 1932 gelesen, das erschreckende Parallelen zu den Phänomenen Social Media und Überwachungskapitalismus im 21. Jahrhunderts aufweist. In beiden Fällen geht es darum, Menschen mithilfe von Technologien zu manipulieren und zu kontrollieren für das übergeordnete Ziel eines wirtschaftlichen Profits. Während Huxleys Roman rein fiktional ist, sind wir mit einer Realität konfrontiert, in der Individuen auf Datenpunkte reduziert werden. Ihre Beschäftigung mit oberflächlichen Inhalten wird genauso gefördert wie übermäßiger Konsum und Gruppenzwang. Oder habt ihr schon alle WhatsApp-Gruppen hinter euch gelassen?

Apropos WhatsApp: Die Anbieterin dieses Dienstes ist Meta. Ein deutlich gefährlicheres Produkt aus diesem Haus ist #Instagram. Viele Untersuchungen können mittlerweile belegen, dass Instagram und ähnliche Angebote genauso süchtig machen können wie z.B. Glücksspiele. Gründe dafür sind u.a. die Mechanismen der sozialen Bestätigung wie Likes oder Kommentare, die für eine Dopamin-Antwort im Gehirn sorgen. Nutzerinnen werden gefangen im FOMO – Fear of missing out, also der Angst was zu verpassen. Sie verlieren das Zeitgefühl angesichts der endlos scrollbaren Inhalte, und ebenso ihren Sinn für Realität angesichts der perfekten Influencer-Welt.

Und jetzt kommt noch #ChatGPT. Millionen von Menschen können plötzlich ansprechend klingende Texte formulieren lassen und diese veröffentlichen, um sich einen wirtschaftlichen oder sozialen Vorteil zu verschaffen. Natürlich ist das theoretisch ein großer Schritt in Richtung der Demokratisierung von Information und Kommunikation. Aber die Gesellschaft sollte sich der potenziellen Überlastung ihrer Kommunikationskanäle durch die Verbreitung von KI-generiertem Content bewusst sein. Mit ChatGPT wurde eben auch ein weiteres Werkzeug geschaffen, uns massenweise mit oberflächlichen Inhalten einzulullen und die echte (!) zwischenmenschliche Kommunikation weiter zurückzudrängen.

Technologischen Fortschritt können und wollen wir nicht aufhalten. Aber wir sollten die Notwendigkeit anerkennen, dass wir unsere Digitalkompetenz ständig erweitern müssen, und uns mit den Chancen aber auch den Gefahren der Technologie befassen.